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Frank Girouds Serie "Die Zehn Gebote erscheint in Deutschland im Verlag "Comicplus".
© Frank Giroud/TBC/
Comicplus+

Interview:
Frank Giroud

Xoomic: Welche Idee, welcher Wunsch stand am Anfang von "Zehn Gebote"?

Frank Giroud: Am Anfang plante ich einen ganz gewöhnlichen Oneshot. Die Geschichte sollte von der Entstehung des Romans "Nahik" handeln. Ein berühmter Schriftsteller, der einen wahnsinnigen Bruder hat, schreibt dieses Buch, kann es aber nicht veröffentlichen. Nun ist aus diesem Oneshot eine Reihe geworden. Denn als ich das Szenario beendet hatte, bekam ich Lust, um das Buch "Nahik" herum weitere Geschichten zu erfinden. Ich beschloss, dass das Buch 15 Jahre nach seiner Entstehung doch publiziert würde. Dann wollte ich auch noch erzählen, warum der Bruder des Autors verrückt geworden war. Und weil in dieser Episode der Bruder einen Kamelknochen findet, auf dem Zeichen geschrieben sind, die eine Surate zu sein scheinen, hatte ich plötzlich die Idee, die Surate durch die zehn Gebote zu ersetzen und zu jedem Gebot von Mohammed eine Geschichte zu schreiben.

Xoomic: War es schwierig, für ein so großes Comicprojekt einen Verlag zu finden?

Frank Giroud: Überhaupt nicht. Da ich seit 20 Jahren für Glénat arbeite, legte ich das Projekt zuerst dem dortigen Verlagsleiter Als er mein Projekt sah, fand er, das sei genau, was er gesucht habe. Trotz der Risiken, die eine zehnbändige Reihe mit sich bringen, unterstützte er das Projekt von Beginn an.

Xoomic: Wie haben Muslims auf den fiktiven Dekalog Mohammeds reagiert?

Frank Giroud: Ich habe schon zwei Todesdrohungen bekommen. Nein, im Ernst: Muslims lesen gar keine Comics. Ein Muslim, der sich streng an den Koran hält, darf keine Bilder lesen. Denn im Islam ist es verboten, menschliche Wesen im Bild darzustellen. Moderate und tolerante Muslims fanden meine Geschichten jedoch sehr gut. Ich erlebte es nur ein einziges Mal, dass ein Muslim das Projekt rundum ablehnte. Allerdings hatte er die Comics gar nicht gelesen. So etwas ist aber auch auch bei Christen weit verbreitet, Bücher oder Filme, die das Christentum nicht kirchenkonform thematisieren, abzulehnen, ohne die Werke zu kennen. Auch die meisten Muslims, welche die "Satanischen Verse" verdammen, haben Salman Rushdies Buch nie gelesen.

Xoomic: Mohammeds zehn Gebote sind primär etwas Positives, bewirken aber oft etwas Negatives. Wie müssten die Umstände sein, damit etwas Gutes auch Gutes bewirken kann?

Frank Giroud: Diese Vision hatte ich überhaupt nicht. Ich glaube nicht, dass ich nur den Übergang eines positiven Zustands in einen negativen Zustand beschreibe. Nehmen wir zum Beispiel den ersten Band, der nach oberflächlicher Lektüre ziemlich pessimistisch wirken kann, endet er doch mit dem Tod des Helden. In Wahrheit ist die erste Geschichte eine Reflektion über Kreativität, Inspiration, Talent und Genie. Der Held, ein Verlagslektor, will selber schreiben, es gelingt ihm aber nicht. Denn sein Schreiben kommt nicht von wahrer Inspiration. Er will vielmehr schreiben, weil er berühmt und reich werden möchte, ebenso anerkannt wie die Schriftsteller, die in seinem Büro ein- und ausgehen. Und er will schreiben, um eine Frau zu beeindrucken. Den eigentlichen Drang zum Schreiben hat er nicht. Erst in dem Augenblick, als er alles verloren hat, überlässt er sich voll und ganz seiner Sehnsucht zu Schreiben und schafft ein Meisterwerk, kommt also in die Nähe eines Genies. Nun versteht er, was Inspiration ist. Gewiss, er stirbt, aber kurz zuvor hat er das erreicht, wovon er sein ganzes Leben lang geträumt hat.

Im zweiten Band ist der Optimismus noch offenkundiger. Im Mittelpunkt steht ein fundamentalistischer Muslim, der durch den Kontakt mit einem weisen Schriftsteller und mit dem Buch "Nahik" die Kraft findet, sich von der islamischen Konditionierung zu befreien und erstmals für sich selber zu denken. Der Protagonist durchläuft also eine positive Verwandlung - von der Dunkelheit ans Licht. Deshalb spielt die erste Seite des Albums in der Nacht, die letzte bei Sonnenaufgang.

Xoomic: Dennoch zeigen Sie viele Leute, die alles daran setzen, die Publikation des Buches "Nahik" respektive der zehn Gebote zu verhindern.

Frank Giroud: Ja. Das sind Anhänger des Obskurantismus (laut Duden: das Bestreben, die Menschen bewusst in Unwissenheit zu halten, ihr selbständiges Denken zu verhindern und sie an Übernatürliches glauben zu lassen, Anm. d. Red.), die kein Interesse daran haben, dass sich die Intelligenz und das Empfinden der Menschen weiter entwickeln. Im Fall von Religionen sind oft Tempelwächter und Glaubenshüter solche Leute. Ich möchte jedoch betonen, dass "Zehn Gebote" keine religiöse Reihe ist. Von zehn Bänden handeln nur drei explizit von Religion. Alle anderen Bände behandeln universelle Themen der Menschheit.

Xoomic: Hat sich die Rezeption der Reihe nach dem 11. September 2001 geändert?

Frank Giroud: Nach dem 11. September waren die Sozialarbeiter der Banlieus sehr beunruhigt und haben "Le Fatwa", den zweiten Band von "Le Décalogue", in ihren Autobussen verteilt. Die Idee war, ein Kolloquium zu organisieren. Ich war bei drei solchen Treffen, zwei waren sehr sympathisch und interessant. Das dritte war auch interessant, aber in einem anderen Sinn, denn beim dritten Treffen nahmen sehr sture Leute teil, etwa der Fundamentalist, den ich anfangs schon erwähnt habe.

Xoomic: Ich denke insbesondere an das zehnte Gebot: "Verkünde Gott durch das gute Beispiel, nicht duch das Schwert". Die Brisanz dieses Gebots ist nach den Attentaten in Amerika noch grösser geworden.

Frank Giroud: Ja, denn dieses Gebot läuft jeglicher fundamentalistischer Ideologie zuwider. Das Gebot sagt eigentlich, man solle nicht die Macht, sondern seinen Gott lieben. Aber dieses Gebot ist im echten Koran nicht enthalten.
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Xoomic: Leider. Wobei zu sagen ist, dass dieses fiktive Gebot nicht allein für Muslime, sondern auch für Christen gut wäre.

Frank Giroud: Sicher. Mir geht es ja auch gar nicht darum, den Islam zu kritisieren, sondern den Fundamentalismus. In Band 4 wird etwa auch die katholische Kirche kritisiert, die Kirche, nicht das Christentum.

Xoomic: Wie arbeiten Sie eigentlich. Schreiben Sie zuerst eine Geschichte oder beginnen Sie gleich mit dem Szenario?

Frank Giroud: Am Anfang steht eine Idee, dann zwei, drei, vier Ideen. Eine gute Geschichte braucht verschiedene gute Ideen. Der Reifeprozess dieser Grundideen dauert sehr lange. Und dieser Reifeprozess hat nichts mit dem Code der Comics zu tun. Aus den Ideen könnte ebenso gut ein Roman oder ein Filmdrehbuch entstehen. Aber da ich nun mal als Comicszenarist arbeite, denke ich bei der Niederschrift der Ideen an Comics. Ich schreibe zwei Zusammenfassungen, eine sehr kurze, um das Projekt dem Verleger zu präsentieren, und eine, die von jedem geplanten Album eine detaillierte Synopsis enthält. Bei "Zehn Gebote" schrieb ich für jeden Band eine rund zehnseitige Synopsis. Danach beginne ich mit dem Szenario und der allgemeinen Szenenaufteilung (découpage). Zuerst unterteile ich die Story in verschiedene Kapitel, die mehrere Seiten umfassen, dann unterteile ich jede einzelne Seite in eine bestimmte Anzahl Bilder. Am Schluss schreibe ich die Dialoge. Zwischen Synopsis und Szenario recherchiere ich je nach Bedarf. Bei "Der Killer von Glasgow", dem ersten Band von "Zehn Gebote", reiste ich zum Beispiel mit dem Zeichner Joseph Béhé nach Glasgow.

Xoomic: Lassen Sie den Zeichner frei arbeiten oder diskutieren Sie seine Entwürfe mit ihm?

Frank Giroud: Das hängt ganz von der Art der Zusammenarbeit ab. Manchmal habe ich kaum Kontakt zu den Zeichnern. Ich sende ihnen das Szenario und die Dokumentation dazu, während sie mir jede neu gezeichnete Seite zuschicken. Vielleicht begegnen wir uns erst, wenn wir das gemeinsame Album signieren. Andere Zeichner treffe ich oft. Mit Joseph Béhé hatte ich mindestens einmal pro Tag Kontakt. Die Zusammenarbeit mit ihm war sehr umfassend. Wir haben jede Kleinigkeit miteinander besprochen. Das war eine sehr intensive und schöne Zeit.

Xoomic: Enthalten Ihre Szenarios präzise Angaben dazu, wie die einzelnen Panels aussehen sollen?

Frank Giroud: Ja, aber meine "Découpage" ist ein Vorschlag für den Zeichner. Er kann das ändern, wie er will. Nur meine Dialoge darf er nicht einfach ändern, weil ich die Worte sehr überlegt auswähle. Aber natürlich kann er mit mir über die Dialoge diskutieren und mir Änderungsvorschläge machen.

Xoomic: In deutschsprachigen Ländern wird das Schreiben von Comics nicht als seriöse kreative Tätigkeit anerkannt. Wird der Beruf des Szenaristen in Frankreich respektiert?

Frank Giroud: Es gab immer wieder respektierte Szenaristen, zum Beispiel Pierre Christin mit Titeln wie "Partie de chasse". Solche Comics waren auch einflussreich. Aber die Intellektuellen Frankreichs sprachen nie über Comics. In dieser Beziehung hat in jüngster Zeit eine enorme Revolution stattgefunden. Bei Erscheinen des vierten Bandes von "Le Décalogue" zum Beispiel wurde ich in die Sendung "Treize Heures" bei France Inter eingeladen. Vor nur fünf Jahren wäre so etwas noch undenkbar gewesen. "Le Décalogue" wurde auch in vielen renommierten Zeitungen wie "Le Monde" besprochen. Trotz allem kann das Renommée von Comicautoren nicht mit jenem von Schriftstellern verglichen werden. Ich denke, der Ruf des Comics ist in Frankreich wohl deshalb besser als in Deutschland, weil die französischen Hardcover-Alben rein formal schon näher beim Buch sind als die Softcover-Alben und Hefte in Deutschland. In Frankreich gilt ein Comicliebhaber als bibliophil.

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Das vollständige Interview mit Fournier können Sie in der Printausgabe von Xoomic (Nummer 2) lesen. bestellen...

Xoomic: Schreiben Sie auch Romane oder Drehbücher?

Frank Giroud: Im Moment schreibe ich ausschliesslich Szenarios, weil ich für etwas anderes gar keine Zeit finde. Aber ich habe schon Musikkomödien, Novellen, einen Roman, Sketche und Chansons geschrieben. Meine grosse Liebe gehört allerdings den Comics. Bei der Musikkomödie haben mir zu viele Leute dreingeredet. Und Romanschreiben ist eine sehr einsame Angelegenheit. Beim Comic ist man zu zweit, das passt mir eindeutig am besten.

Xoomic: Besten Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Reto Baer



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