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Magazin: Manga-Spezial

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Manga-Spezial:

7. Osamu Tezuka: Japans Gott des Manga

Wenn man über japanische Zeichenkunst im Zwanzigsten Jahrhundert schreibt, kommt man an einem Namen in keinem Fall vorbei: Osamu Tezuka. Viele Beinamen hat man ihm verliehen vom Walt Disney [1] Japans bis hin zum Gott des Manga hat man nur wenige Etikettierungen ausgelassen. Wie so oft sagt uns das viel über seinen Stellenwert in Japan, täuscht uns über viele seiner Fähigkeiten hinweg. Im Gegensatz zu Walt Disney war Tezuka kein wirtschaftliches Genie, vielmehr war er ein genialer und innovativer Künstler, dessen Einfluß auf Manga sowie Anime ungebrochen ist. "Tezuka is an example of how one talented individual born at the right time can change the field he decides to work in." [2]

Tezuka wurde am 3. November 1928 in Osaka geboren. Schon früh entdeckte er seine Faszination für das Kino und fand vor allem an den Filmen von Chaplin [3] , Disney und Fleischer [4] Gefallen. Er zeichnete für sein Leben gerne und debütierte 1946 mit einem Vier- Bilder-Manga in der Kinderzeitschrift Shokokumin Shinbun. 1947 wurde der von ihm veröffentlichte Manga Shin Takarajima(Die neue Schatzinsel) zu einem riesigen Erfolg (genaue Zahlen liegen nicht vor, aber man geht davon aus, daß von diesem Manga zwischen 400 000 und 800 000 Exemplare verkauft wurden). Trotzdem wollte er noch nicht in das professionelle Zeichenlager wechseln. Statt dessen schrieb er sich an der medizinischen Fakultät der Universität Osaka ein. Neben der Belastung durch sein Studium fand er aber immer noch genügend Zeit, um an seinen Mangas zu arbeiten. So erschien zum Beispiel 1950 im Manga Shonen seine Geschichte Janguru Taitei (Kaiser des Dschungels) und 1951 Tetsuwan Atomu (Eisenfaust Atom) in Shonen. 1952 dann graduierte er mit einer Arbeit über das Sperma von Teichschnecken [5] . Allerdings war ihm zu dieser Zeit schon klar, daß er wohl nie als Arzt arbeiten würde, seine Bestimmung war das Zeichnen.

Die einflußreichen Verlage lockten und so zog Tezuka 1954 nach Tokio, wo er sich in einem heruntergekommenen Apartmenthaus niederließ. In diesem Jahr begann er auch mit einer seiner wichtigsten Mangaserien: Hi no Tori oder Phoenix ist eine epische Geschichte über den heiligen Vogel Japans. Sie erstreckt sich von der mythischen Vergangenheit Japans bis hin in ferne Zukunft. In jeder der Episoden geht es um die Suche nach dem Phönix und dem Sinn des Lebens. Die Episoden folgen keinem chronologischen Schema und Tezuka selbst hat noch bis ins hohe Alter an dieser Geschichte weitergearbeitet. Er selbst bezeichnete sie als raifu waku, was soviel bedeutet wie Lebenswerk.

Bald wurde er Chef seines eigenen Produktionsteams, und viele Nachkriegszeichner lernten ihr Handwerk unter ihm. Tokiwaso, wie das Haus hieß, wurde bald zu einem Mekka für die junge Zeichnergeneration. Sie fieberten ihm nach oder versuchten ihn gar zu übertreffen. Mehr und mehr von ihnen zogen in das Gebäude, und um Tezuka herum entstand eine sehr produktive Künstlerkolonie.

Sein großer Einfluß begründet sich vor allem auf seine umwälzenden Innovationen im Bezug auf Form, Stil und Erzählstruktur der Mangas/Comics. Sie schienen ihm limitiert, mehr abbildend als narrativ. So als habe man ein Theaterstück abgemalt hätte. Deswegen begann er bewußt filmische Stilmittel in seine Mangas zu übernehmen. Er experimentierte mit Ausschnittsvergrößerungen und neuen Blickwinkeln. Anstatt Höhepunkte oder Action in einem einzigen Bild zu zeigen, wie es zu der Zeit üblich war, versuchte er sie auf viele Bilder oder gar Seiten zu strecken. Inhaltlich versuchte er den Manga von der rein komödiantischen Ausrichtung zu befreien, ihn erwachsen zu machen. Egal ob Science-Fiction, Märchen, Horror, Novellen oder Legenden, nichts schien ihm unverwendbar. Gerne thematisierte er auch Wut, Haß und andere negative Gefühle. Seine Geschichten waren weniger vorhersehbar und endeten nicht notwendigerweise immer in befriedigender Weise für den Leser.

Zur Animation kam Tezuka 1959. Toei engagierte ihn als Co-Regisseur für den Film Saiyuki (Das westliche Tagebuch). Dieses Werk orientierte sich an Tezukas eigener Adaption einer alten chinesischen Geschichte von 1953.

1961 gründete er dann seine eigene Produktionsfirma Mushi (="Hallo") und begann mit der Produktion von Zeichentrickserien. Da sich seine Mangas filmischer Stilmittel schon bedienten, waren sie natürlich für eine animierte Fassung geradezu prädestiniert. So ist es auch kaum verwunderlich, daß die erste Serie, die das Studio verließ eine animierte Version von Tetsuwan Atomu war. Die noch in schwarzweiß gezeichnete Serie debütierte als erste japanische Zeichentrickserie überhaupt am 2. Januar 1963 im japanischen Fernsehen. Sie wurde später auch im Westen unter dem Namen Astro Boy bekannt.

Mit der Serie Jungle Taitei (Kimba, der weiße Löwe) gelang Mushi/Tezuka 1965 der nächste Meilenstein. Wieder handelt es sich um die Umsetzung eines Mangas von Tezuka: Janguru Taitei von 1950. Es ist die Geschichte eines jungen Löwen, der irgendwo in Afrika gegen alle Widrigkeiten versucht ein Königreich der Tiere zu schaffen, in dem alle friedlich miteinander leben. Tier mit Tier aber auch Mensch mit Tier. Wie in allen seinen Werken sind auch bei Kimba die humanistischen Grundideen Tezukas nicht zu übersehen. Besonders erwähnenswert ist Kimba aber jedoch auch, weil es die erste kolorierte japanische Serie war. Auch im Westen wurde sie sehr populär.

Mushi Productions produzierte durch die gesamten sechziger Jahre hindurch bis in die frühen siebziger Jahre hinein eine große Bandbreite von Fernsehserien und abendfüllenden Zeichentrickfilmen bei denen Tezuka immer die künstlerische Oberhoheit beibehielt.

Für Toei führte er 1966 Regie zu dem Film Tenrankai no E (Bilder einer Ausstellung), inspiriert von der gleichnamigen Musik Mussorgskis [6] . Eine Aneinanderreihung von zehn satirischen Szenen, von der jede eine menschliche Schwäche illustrierte und deren Stil stark an die Zagreber Schule [7] erinnerte.

Wie schon früher erwähnt, teilte Tezuka vor allem eine Eigenschaft nicht mit Walt Disney: den wirtschaftlichen Sachverstand. 1973 ging Mushi Productions bankrott. Entmutigen ließ Tezuka sich davon freilich nicht. Er gründete noch im selben Jahr Tezuka Productions. Die neue Firma war ein flexibleres Unternehmen, daß mehr auf seine Bedürfnisse als eigenständiger Künstler zugeschnitten war. 1980 erschien der abendfüllende Film 2772, Ai no Cosmozone (2772, Die kosmische Zone der Liebe), der auf einer Episode seines Mangas Phoenix basierte. Tezuka reagierte damit auf den 1980 von Ichikawa gedrehten Hi no Tori, einen Realfilmen mit Animationssequenzen. Wie 2772 basierte Hi no Tori auf Tezukas Manga, Tezuka war jedoch mit Ichikawas Ergebnis nicht zufrieden und beschloß deswegen seine eigene Umsetzung zu versuchen.

Neben seinen "Kassenschlagern" schuf und produzierte er aber über seine gesamte Laufbahn hinweg immer wieder auch Filme mit hohem intellektuellen und künstlerischem Anspruch. Aru Machi Kado no Monogatari (Die Geschichte einer Straßenecke) von 1962 kommt völlig ohne menschliche Akteure oder Dialog aus, vielmehr wird er ausschließlich durch visuelle Eindrücke erzählt. Im selben Jahr versucht er in dem Experimentalfilm Osu (Männlich) die Verzerrung des Bildes durch Cinemascope zu visualisieren. Die Subjektive entdeckt er 1984 mit Jumping. Durch die Augen des Protagonisten sehen wir, wie derselbe immer höher und höher springt, Ozeane überwindet und am Ende in die Hölle stürzt. Tezuka selbst meint dazu: "Those who jump are you, the public, humanity. We humans have the tendency to go too far with what we do. Often this becomes a dilemma or a catastrophe." [8]

Einen satirisch ironischen Rückblick auf die amerikanische Stummfilmzeit gewährt uns Tezuka in Onboro Film (Der kaputte Film, 1985). Er geht sogar soweit die kleinen Unfälle der frühem Kinos zu imitieren, wie etwa Filmrisse oder zerkratzte Bilder. Sein letzter Film von 1988 Legend of the Forest hat eine ökologische Aussage und ist gleichzeitig eine Hommage an die Klassiker der Animation wie etwa Disney und ein experimenteller Versuch an neuen Formen.

Am 9. Februar 1989 stirbt Tezuka in Tokio. Er hinterläßt über 700 veröffentlichte Mangas, 150 000 gezeichnete Seiten und mehr als 60 Zeichentrickfilme und Fernsehserien. Als bisher einzigem Künstler wurde ihm zu Ehren 1994 ein Museum eröffnet. Keiner der Zeichner der Nachkriegsgeneration blieb von seiner Arbeit unbeeinflußt. (Markus Strössenreuther)

[1] Walt E., amerikanischer Zeichner und Filmproduzent, Gründer der Walt Disney Co. geboren in Chicago (Illinois) am 5.Dezember 1901, gestorben in Burbank (Kalifornien) am 15.Dezember 1966. Erfinder von Donald Duck und Mickey Mouse
[2] Schodt, F.: Manga! Manga!; Seite 63
[3] Sir (seit 1975) Charlie, eigentlich Charles Spencer Chaplin, britischer Komödiant, Filmschauspieler, Drehbuchautor und Produzent, geboren in London am 16. April 1889, gestorben in Vevey (Schweiz) am 25. Dezember 1977. Werke unter anderem: Goldrausch (1925), Der große Diktator (1940)
[4] Max, Zeichner und Produzent, geboren 17. Juli 1883 in Wien, gestorben 11. September 1972 in Woodland Hills (Kalifornien); Werke unter anderem: Popeye-Serie; Mr. Bug goes to town (1941)
[5] Nach Schodt, F.: Manga! Manga!; Seite 160
[6] Modest Petrowitsch, russischer Komponist, geboren auf dem Gut Karewo am 21.März 1839, gestorben in Sankt Petersburg am 28. März 1881
[7] Animationsstil, benannt nach der kroatischen Stadt, in der er geprägt wurde
[8] Zitiert nach Bendazzi, G.: Cartoons; Seite 415)



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