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Magazin: Manga-Spezial

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Manga-Spezial:

2. Die Geschichte des Manga bis zum Zweiten Weltkrieg

Die Ursprünge japanischer Zeichentradition lassen sich bis ins 7. Jahrhundert zurückverfolgen. 1935 entdeckte man bei Restaurierungsarbeiten in Tempeln bei Nara Karikaturen, die wohl von gelangweilten Bauarbeitern und Schreibern in die Wände und Decken geritzt worden waren. Es fanden sich mannigfaltige Darstellungen verschiedenster Motive - angefangen bei Menschen über Tiere bis hin zu stark übertriebenen Phalli. Die Karikaturen zeigten bereits erste Ansätze der für japanische Zeichnungen später so typisch gewordenen Linientechnik.

Die ersten papierenen Zeugnisse der japanischen Zeichenkunst stammen aus dem 12. Jahrhundert. Die vier sogenannten chojugiga (Tierrollen) des Bischofs Toba zeigen anthropomorphisierte Tiere in klerikal buddhistischen aber auch säkularen Szenen. Sie gelten bis heute als Meisterwerke der japanischen Pinselstrichkunst. Die Rollen arbeiten natürlich nicht wie Comics heutzutage mit Einzelbildern. Vielmehr entfaltete sich vor dem Betrachter, ein Kontinuum. In den manchmal bis zu dreißig Meter langen Rollen gehen Hügel sanft in Ebenen über, Dächer lösen sich auf und zeigen das Geschehen in Häusern. Ähnlich dem modernen Manga werden Nebel, Kirschblüten oder andere Symbole verwendet, um einen Wechsel von Zeit, Ort oder Stimmung zu repräsentieren.

Während diese frühen "Mangas" exklusive Unterhaltung des Klerus blieben, setzte im 17. Jahrhundert, ausgehend von der Stadt Otsu nahe Kyoto, eine Art Boom für säkulare Zeichnungen ein. Aus anfangs buddhistischen Amuletten für Reisende wurden schnell Bilder mit lasziven Frauen, Dämonen in Priestergewändern oder Samurai. Um der wachsenden Nachfrage zu begegnen, entwickelte sich sogar eine kleine Industrie, in der diese Bilder von den Künstlern mit Hilfe einer primitiven Druckmethode zu Tausenden produziert wurden.

In der feudalen Edo-Periode (1600-1869) bildete sich eine wohlhabende Händlerklasse in Japan, die nach neuen Formen der Unterhaltung und Ablenkung suchte. Unter anderem stieg die Nachfrage nach Holzblockdrucken, die schon bald in Massenproduktion hergestellt wurden. Die populärste Form dieser Drucke nannte man ukiyo-e (Bilder der schwimmenden Welt). Sie thematisieren in fließenden Linien und mannigfaltigen Farben die Zerstreuungen der Zeit: populäre Sehenswürdigkeiten, die Stars des Kabuki-Theaters [1], allgemein bekannte historische Geschichten und Anekdoten, sowie auch Geschichten mit erotischem oder pornographischem Inhalt, den sogenannten shunga (Frühlingsbilder). In Europa wurden sie bekannt, als sie als Verpackungsmaterial in Teelieferungen den Okzident erreichten.

Berühmte Maler wie Monet, Manet, Van Gogh und Toulouse-Lautrec bewunderten sie und wurden durch sie beeinflußt. So lobte William Michael Rosetti, die Drucke hätten eine "daringness of conception, an almost fiercely tenacious grasp of its subject, a majesty of designing power and a sweep of line, and a clenching hold upon the imagination." [2]

Zu dieser Zeit bildeten sich auch die ersten Vorformen des modernen Manga-Buches die toba-e und kybyoshi. Sie bestanden aus 20 oder mehr Seiten, die entweder mit Draht gebunden waren oder sich wie eine Ziehharmonika auffalten ließen.

Wie der Name schon erahnen läßt, bezogen sich die toba-e direkt auf den Schöpfer der chojugiga, Bischof Toba. Dementsprechend bestanden sie nicht aus Einzelbildern und verwendeten auch keine Sprechblasen. Normalerweise waren sie einfarbig schwarzweiß und hatten zuweilen erklärende Begleittexte.

Die kibyoshi oder "Gelbcover" waren zwar ebenso einfarbig wie die toba-e, legten jedoch Wert auf eine durchgängige, oft als Serie veröffentlichte Geschichte aus Einzelbildern und verwendeten einen festen Begleittext. Aufgrund ihres zumeist satirischen Inhaltes wurden sie mehr als einmal von den Behörden aus dem Verkehr gezogen.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts brachen die Amerikaner und Europäer in den bis dahin weitgehend abgeschirmten japanischen Kulturkreis ein. Mit ihnen kam auch der europäische Cartoon. Speziell zu erwähnen sind hierbei die Namen Charles Wigman (1835-1891, Brite) und George Bigot (1860-1927, Franzose). Beide eröffneten ihre eigenen Satirezeitschriften in Japan, Wigman die The Japan Punch (1862) und Bigot die Tobae (1887). Wigman wird noch heute als Schutzpatron des modernen Japanischen Mangas verehrt. Von ihnen übernahmen die Japaner die Sprechblase (Wigman) und die sequenzielle Verknüpfung von Einzelbildern also den Comic-Strip(Bigot).

Unter dem Einfluß aus Europa verdrängte der Bleistift den Pinsel, und man übernahm auch moderne Drucktechniken von den Europäern, wie etwa den Kupferplattendruck oder auch den Setzdruck, um nur zwei Beispiele zu nennen. Sie ersetzten schnell die vergleichsweise zeitraubende und teuere Methode des Holzblockdrucks und machten so Druckerzeugnisse in hohen Auflagen zu kleinen Preisen möglich. Schon bald wurden Zeitungen und Comics deswegen zu echten Massenmedien in Japan.

Japanische Eigengewächse, wie etwa die humoristische Marumaru Chimbun, die zum ersten Mal 1877 erschien, sind Zeugnisse dafür, wie schnell die Japaner die westlichen Techniken assimilierten und sogar noch verbesserten. Die Marumaru Chimbun lehnte sich stark am The Japan Punch an, war ihm jedoch schon von Anfang an stilistisch überlegen.Gegen Ende desneunzehnten Jahrhunderts wandten sich die Japaner zunehmend von dem steifen, europäisch geprägten Cartoon ab und entdeckten den lebendigeren amerikanischen Cartoon für sich. Kitazawa Rakuten (1876-1955) und Okamoto Ippei (1886-1948) begannen als erste damit, den amerikanischen Stil zu adaptieren. Diese beiden waren wohl die ersten, die Comiczeichnen nicht nur als eine Zwischenstufe auf dem Weg zum "echten" Künstler betrachteten. Sie nannten sich selbst auch mangashi (shi = "Meister" oder "Lehrer") und führten damit das Wort "Manga" endgültig in den allgemeinen Sprachgebrauch ein. So war es dann auch Kitazawa, der 1902 die erste japanische Comicstripserie kreierte. Tagosaku to Mokube no Tokyo Kembutsu (Tagosaku und Mokube auf Sightseeing in Tokio) erschien in Jiii Manga, einer illustrierten Sonntagsbeilage nach dem Vorbild derer in den Vereinigten Staaten. Sprechblasen wurden hier noch nicht verwendet.

Obwohl in den Zwanziger Jahren immer mehr amerikanische Cartoons wie zum Beispiel Bringing up Father oder Felix the Cat in Japan adaptiert wurden und sich großer Beliebtheit erfreuten, waren sie doch nie eine wirkliche Gefahr für die einheimische Produktion. Im Gegenteil, es half der einheimischen Branche sogar auf die Sprünge. Der Erfolg der ausländischen Serien rief die Herausgeber der Zeitungen auf den Plan. Sie stellten zunehmend eigene Zeichner ein, als sie das Potential der Comicserien zur Leserbindung erkannten. Eine eigenständige japanische Comicstripkultur entstand und etablierte sich schnell. Im Gegensatz zu den amerikanischen Comics waren die Mangas für die japanischen Leser leicht zu dechiffrieren, da Künstler und Konsument denselben kulturellen Hintergrund besaßen. Mangas behandelten Themen, mit denen sich der japanische Rezipient leicht identifizieren konnte. Etwas, das der amerikanische oder europäische Comic einfach nicht zu leisten vermochte.

Die 30er und frühen 40er-Jahre waren geprägt von Japans aggressiver Expansionspolitik. Sie gehören zu den schwärzesten in der Geschichte des Manga. Die Regierung hatte sein propagandistisches Potential erkannt und versuchte, sich dieses zunutze zu machen. Mit großem Erfolg warb man um die "Mangashi" und begann deren schöpferische Kräfte zu kontrollieren und zu lenken. Obwohl die Mehrheit der Zeichner sich in den zwanziger Jahren nach links orientiert hatte, stellten sich die meisten widerstandslos in den Dienst der nationalen Sache und produzierten seichte, beschwichtigende oder systemunkritischen Mangas oftmals aber sogar propagandistisch-glorifizierende Bildergeschichten.

Warum sich die Künstler vor den ideologischen Karren spannen ließen und soweit von ihren früheren Idealen abwichen, ist heute kaum noch nachzuvollziehen. Vielleicht hat es aber genau mit der japanischen Mentalität zu tun, die den Manga nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig zum Massenkult machte und seinen weltweiten Siegeszug antreten ließ.

[1] Theater zusammengesetzt aus Schauspiel,
Tanz und Musik, entwickelt um 1600.
[2] zitiert nach Schodt F.: Manga! Manga!; Seite 35.



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